Malen als Klammer, die erinnerte Orte umfasst
Im Gespräch mit Rüdiger Reeg

Herr Reeg, Ihre Bilder zeigen lebendige, reduzierte Landschaftsdarstellungen. Was reizt Sie an Landschaften und an moderner Landschaftsmalerei?
Warum ich Landschaften male und das sehr reduziert? Darauf kann ich nur antworten, dass es mir um das Wesentliche geht und nicht um Details. Daher keine oder so gut wie keine Häuser, keine Tiere, keine Menschen. Das Wesentliche an meiner gemalten Landschaft liegt in der Veränderlichkeit des Unveränderlichen. Meine Bilder sind nicht in sich geschlossene Werke. Vielmehr arbeite ich seriell. Ich setze mich mit der Landschaft, dem Himmel, Wasser und der Erde auseinander. Es sind immer andere Formen, andere Farben, die die Stimmung der Landschaft widerspiegeln - wie sie mich im Innern berühren.

Unter Ihren Werken befinden sich mehrere Zyklen von Usedom, aber auch von Oderhaff. Sie thematisieren immer wieder die Ostsee. Was fasziniert Sie an dieser Landschaft?
An der See finde ich den unbegrenzten Blick, die unbegrenzte Landschaft, die Natur in all' ihren Elementen. Ich gehe in eine innere Resonanz mit der Landschaft, die nicht allein durch die Natur ausgelöst wird, sondern auch durch den Ort. In dieser Region liegen meine Wurzeln. Also gehe ich auch in eine heimatliche Resonanz. Es ist ein Gefühl des Vertrauten, des Sich-Erinnerns, ein fast stiller Klang, der immer mitschwingt. Und dieses Mitschwingen, durch das Wahrnehmen eines Ortes, bildet im Malen eine Klammer, die alle diese Orte umfasst.

Die Stimmung der Landschaft und die Resonanz, die sie erzeugt – ist dies ein Schaffensprozess, der sich in allen Arbeiten materialisiert?
Mit Stimmung meine ich eigentlich Impression: nicht ein einziges Bild oder einen einzigen Ort, sondern die Fülle der gesamten Landschaft. Im Gegensatz zum expressiven Ausdruck male ich impressiv. Ich erfasse die Landschaft, die mich berührt und versuche, das Wesentliche einzufangen, in dem ich das Gegenständliche auf die Funktion, Form und Farbe stark reduziere. Daher entfallen alle in diesem Sinne Nebensächlichkeiten wie Menschen, Tiere oder Häuser. Ich bin kein kritischer Maler, der eine Botschaft außerhalb des Bildes hat, eher ein naturromantischer Maler. Der Betrachter erinnert sich dann eines Ortes, so wie ich Erinnertes male, aus dem Inneren heraus nach Außen gestalte. Daher der Begriff „erinnerte Landschaft".

Durch das pastose Malen geben Sie den Landschaftsmotiven farbliche und formale Dynamik. Frühere Bilder zeigen einen eher verhaltenen Farbauftrag und ruhigeren Duktus. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Bis vor ein paar Jahren, bis etwa 2007, arbeitete ich in einem sehr dünnen Farbauftrag, genau das Gegenteil von heute, aber mit derselben inneren Herangehensweise. Aber ich kam nicht mehr weiter, ich wiederholte mich. Mir fehlte die farbliche und formale Dynamik, die das Leben reflektiert. Die pastose Malweise, wie ich sie sehe und umsetze, erlaubt es mir, die Motive intensiver und variantenreich zu ergründen und das Empfundene mit sichtbarer Freude durch Farbe zu materialisieren.
 
Das Interview führte Stephanie Aurelia Runge, Text|Bau|Satz.